Luigi Pericle, Ad Astra

2018 wurde das Werk von Luigi Pericle von der Presse als Jahrhundertfund gefeiert, nachdem das Ehepaar Andrea und Greta Biasca-Caroni 15 Jahre nach dessen Tod sein Haus mitsamt dem gesamten Oeuvre, dem Archiv und der Bibliothek am Fusse Monte Verità erstanden und das Archiv Luigi Pericle gegründet hatten.

Für das jahrzehntelange Verschwinden der zahlreichen Zeichnungen, Gemälde, Recherchen und Schriften gibt es eine Erklärung: der 1916 in Basel geborene und 2001 in Ascona verstorbene Künstler hatte in seinem Leben immer wieder radikale Brüche inszeniert. So zog er in den 50er Jahren mit seiner Frau Orsolina nach Ascona, um sich mit den mystischen-auratischen Vibrationen des Monte Veritàs zu umgeben. 1959 zerstörte er bis auf eines all seine figurativen Bilder, weil sie ihn nicht mehr überzeugten. Er musste sich radikal von ihnen verabschieden, um eine auf das Geistige und Mystische konzentrierte Gegenstandslosigkeit zu erforschen und zu entwickeln. Nach ersten internationalen Ausstellungserfolgen zog er sich – erneut durch eine brüske Kopfentscheidung motiviert – vom kommerziellen Ausstellungsbetrieb in sein Privatleben in Ascona zurück und stellte seine Werke nie wieder aus. Kunst sollte nicht als Verkaufs- oder Spekulationsobjekt fungieren, sondern sein Schaffen selbst soll spirituelle Wege zur inneren Ruhe und Ausgeglichenheit weisen, eine Verbindung zu universellen und esoterischen Kräften ermöglichen. Durch Meditation suchte er die Vernunft zu besiegen und bis zur Essenz, dem Ursprung des Wissens und der Form vorzudringen. 1980 folgte dann die nächste und letzte Zäsur, nach der der Basler Künstler seine pikturale Praxis ganz aufgab und sich vollends dem Studium der Esoterik, der Mystik, der Antroposophie und der Ufologie widmete. Neben unzähligen Notizen und Recherchen stellte er 1996 seinen bis auf ein Kapitel nie veröffentlichten Roman „Bis ans Ende der Zeiten – Morgendämmerung und Neuanfang statt Weltuntergang“ fertig.
Die derzeitige Retrospektive im Masi Palazzo Reali in Lugano zeigt die Entwicklung seines Schaffens chronologisch auf. Neben den theosofisch-mystischen Erfahrungen, welche sich in seinen dicht geschichteten informalen Gemälden in eher düsteren Tönen sedimentieren, fallen formal assoziierend Einflüsse von Klee, Michaux oder der Aztekenkunst auf. Die gestischen Tuschezeichnungen und die dicht geschichteten Ölbilder vermitteln gerade wegen ihrer bescheidenen Grösse die hohe Konzentration einer der Spiritualität und der Abgeschiedenheit gewidmeten Existenz, welche die Zeit intensiv zu nutzen wusste.



18.4.-5.9.2021
Ausstellung
Masi Palazzo Reali Lugano


Published in
Kunstbulletin 7-8/2021

Luigi Pericle, Ohne Titel, ohne Datum, Privatsammlung
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Luigi Pericle, Ohne Titel, ohne Datum, Privatsammlung

Luigi Pericle, Ohne Titel (Matri Dei d.d.d.), 1964, Museo d’arte della Svizzera italiana, Lugano
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Luigi Pericle, Ohne Titel (Matri Dei d.d.d.), 1964, Museo d’arte della Svizzera italiana, Lugano